Aussendung vom 14.07.2021
Wiener Neustadt, 14. Juli 2021 – Was passiert in Unternehmen, wenn formale, in Hierarchien abgebildete Macht in den Hintergrund rückt und die Selbststeuerung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Teams an Bedeutung gewinnt? Gibt es dann keine Macht mehr oder tritt sie lediglich in einem neuen Gewand in Erscheinung? Braucht es auch in demokratischen und partizipativ ausgerichteten Unternehmen Führung? Wie gestalten sich hier Einflussprozesse und welche neuen Schwierigkeiten treten dabei auf?
Diesen Fragen sind
Karin Link, Leiterin des Instituts für persönliche Kompetenzentwicklung, und
Michael W. Busch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Management & Leadership Development an der FHWN, in ihrem wissenschaftlichen Beitrag mit dem Titel „Was macht Agilität mit Macht? Eine Analyse des Machtphänomens in agilen Organisationen“ für das Journal für Psychologie nachgegangen. Dabei wurde die themenrelevante Literatur theoriegeleitet und interdisziplinär ausgewertet.
Der Betrieb als Ersatz-FamilieSchon seit geraumer Zeit wird in Wissenschaft und Beratung über die Abschaffung, zumindest die Verflachung von Hierarchien diskutiert. Lange war die Praxis bei der Umsetzung sehr zögerlich. Inzwischen wird Agilität in Unternehmen nicht nur als fast unumgängliche Antwort auf die sog. VUKA-Welt (volatil, unsicher, komplex, ambig) gesehen, sondern auch als Möglichkeit, den gewandelten Bedürfnissen der neuen Generationen gerecht zu werden. Diese erwarten nämlich heute Beziehungen auf Augenhöhe, nicht autoritäre Führung nach dem Befehlsprinzip, sinnerfüllte Arbeitsbedingungen, nicht Arbeiten nach Schema F. Dazu zählt auch, dass ihr Beitrag gehört und ihr Einfluss anerkannt wird. Beziehungen sollten sich durch Wertschätzung auszeichnen. Der Betrieb wird zu einer Gemeinschaft, einer Art Ersatz-Familie.
Wird unter solchen Bedingungen dann keine Macht mehr ausgeübt? Die Untersuchung zeigt, dass dem nicht so ist. „Es kommt zu einer Verlagerung von formaler, hierarchischer Macht hin zu informaler Macht. In wechselnden Arbeitsbeziehungen werden Einflussstrukturen jeweils neu ausgehandelt. Die entscheidende Machtbasis ist nicht mehr die Position in der Hierarchie, sondern die Überzeugungskraft vorgebrachter Ideen und die demokratische Willensbildung in Teams“, berichtet Busch.
Influencer ist, wer durch Leistung sein Talent beweist, wer durch Hilfsbereitschaft und Verlässlichkeit die Sympathien anderer auf sich ziehen kann und wer Mehrheiten in seine Richtung zu lenken vermag.
Zusammenspiel von Hierarchie und SelbstorganisationDurch wechselnde Rollen kann jedoch auch Rollenstress entstehen, es kann zu ungesundem Überengagement kommen, in Krisensituationen erzeugt die Verantwortungsdiffusion Unsicherheitszonen und schließlich können sich mit der Zeit verdeckt wirksame Einflussnetzwerke bilden, da nicht jede Person Macht ausüben will.
„Am Ende gibt es auch in agilen Organisationen den Bedarf nach quasi-hierarchischen, eindeutigen und schnellen Lösungen. Die Frage der Zukunft wird daher lauten, wie es Organisationen schaffen, das Zusammenspiel von Hierarchie und Selbstorganisation, von formaler und informaler Machtausübung sinnvoll zu gestalten und immer wieder neu auszuloten. Es geht nicht um ein Entweder-Oder, sondern um ein Sowohl-als-auch“, gibt Link einen Ausblick für die Zukunft.
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