Aussendung vom 04.08.2025
Wiener Neustadt, 4. August 2025 – Ob in Kommentarspalten großer Medienhäuser oder am Stammtisch: Kaum ein sozialpolitisches Thema polarisiert so sehr wie die Frage, ob Väter für ihre Kinder beruflich kürzertreten sollen. Marlene Schuster, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wissenschaftsmethodik & Marktforschung widmet sich in ihrer Dissertation genau diesem Spannungsfeld. In einem Fachartikel für den Informationsdienst beziehungsweise des ÖIF erklärt sie, warum Kommentarspalten zu Väterkarenz mehr sind als bloßer Meinungslärm.
„Der Onlineraum ist eine beliebte Bühne für gesellschaftliche Aushandlungen“, so Schuster. „Ich wollte diese zugespitzten und kritischen Meinungen einfangen und herausarbeiten, welche Argumentationsmuster und Rechtfertigungen die Debatte um Väterkarenz prägen.“
Gerade weil Onlinekommentare anonym und ungefiltert sind, liefern sie aus Sicht der Soziologin wertvolle Einblicke: „Dort zeigen sich oft die rohen, unverblümten Vorstellungen davon, was als gerecht oder normal empfunden wird. Genau das macht sie für die Forschung so spannend.“
Debatte ohne Fortschritt?
Die Analyse von Schuster ist vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen besonders brisant. Während Länder wie Norwegen seit Jahren auf verpflichtende Väterkarenz setzen – mit messbarem Erfolg in puncto Gleichstellung –, wird in Österreich trotz zahlreicher Anreize kaum Bewegung sichtbar. Erst kürzlich sorgte ein Vorschlag norwegischer Konservativer, das dortige Karenzmodell wieder zu kürzen, für eine hitzige Debatte.
In Österreich hingegen dominieren zentrale Argumente wie „Ich verdiene mehr“ oder „Das rechnet sich nicht für uns“ neben klassischen Rollenvorstellungen weiterhin die Diskussion. Schuster sieht darin auch ein strukturelles Problem: „Die Beteiligung von Vätern an der Betreuung ist kein individuelles Versäumnis, sondern ein gesellschaftliches Merkmal. Politische Maßnahmen stoßen an ihre Grenzen, solange tradierte Rollenbilder bestehen bleiben.“
Der Rechnungshof stellt in seinem Bericht 2024 klar: Trotz eingeführter Boni und flexibler Karenzmodelle bleibt die Beteiligung österreichischer Väter auf konstant niedrigem Niveau.
Rechtfertigungen, Rollenbilder & die Macht der Worte
Schusters Forschung erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität – dafür auf Tiefenschärfe. Onlinekommentare mögen subjektiv, polemisch oder ironisch sein, doch genau darin liegt ihr Erkenntnispotenzial. „Ich will nicht herausfinden, wer etwas sagt, sondern wie argumentiert wird, welche Muster sich zeigen, wie Gerechtigkeit verhandelt wird und welche Rollenbilder unausgesprochen mitschwingen“, erklärt sie.
Ein Kernelement ihrer Forschung bildet der theoretische Zugang über die Soziologie der Konventionen, der untersucht, wie Menschen ihre Entscheidungen rechtfertigen und was sie als legitim oder illegitim empfinden. In Kommentarspalten äußere sich dies oft als Abwertung, Empörung oder Moralisierung und bilde damit ein Abbild dessen, was öffentlich (nicht) verhandelbar scheint.
Am Ende steht ein größerer Anspruch: „Es geht nicht nur um Väterkarenz, sondern um Geschlechtergleichheit, Machtverhältnisse und gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten“, so Schuster. Ihre Forschung will Konfliktlinien sichtbar machen, Bewusstsein schaffen und aufzeigen, warum der gesellschaftliche Diskurs die Entscheidung von Vätern für oder gegen Karenz beeinflusst.
Hier geht es zum Fachbeitrag.