FHWN-Studie: Mit VR-Technologie zu mehr Nachhaltigkeit Wieselburg, 7. Oktober – Wenn nur alles so nachhaltig wäre wie ein Vorurteil! Je öfter man ein solches wiederholt, desto mehr verfestigt es sich und scheint immer „wahrer“ zu werden. Das betrifft auch den nachhaltigen Konsum. Teilweise sind diese Vorurteile als Argumente „verkleidet“ und führen dazu, dass sich die Menschen selbst im Weg stehen, etwas in ihrem Leben zu verändern. Häufig wird dann zu einem konventionellen Produkt gegriffen. So halten zwar viele Menschen nachhaltige oder Bio-Lebensmittel für die gesündere Wahl gegenüber herkömmlichen Produkten, doch erwarten sie beim Aufdruck „Nachhaltig“ oder "Bio" auch einen weniger guten Geschmack, wie diverse Studien zeigen. Wesentlicher Beitrag für nachhaltigen Konsum Es besteht eine besondere Diskrepanz zwischen dem sich in Werthaltungen ausdrückenden starken Ökologiebewusstsein und dem tatsächlichen Kaufverhalten der Menschen. Das bewegte Forschende der FHWN dieses Kaufverhalten zu untersuchen und Konzepte und Möglichkeiten für einen nachhaltigen Konsum zu entwickeln. „Ziel ist es, Produzentinnen und Produzenten bei der Vermarktung ihrer nachhaltigen Produkte und Verbraucherinnen und Verbraucher bei der bewussten Auswahl zu unterstützen, um so einen wesentlichen Beitrag für einen nachhaltigen Konsum zu leisten. Erst wenn wir verstehen, wie die Vorstellungskraft und damit die Entscheidungsfindung unserer Konsumentinnen und Konsumenten funktioniert, können wir als Produzent*innen darauf reagieren und die bestehenden Barrieren erfolgreich abbauen“, erklärt FH-Sensorikerin Kathrin Heim, die schon mit vergangenen Studien für Furore sorgte. Die Studie, bei der auch moderne VR-Technologie (Anm. Virtuelle Realität) zum Einsatz kam, kommt dabei zu dem Schluss, dass Storytelling und die eigene Phantasie die Beurteilung von Produkten stärker beeinflusst, als fix vorgegebene Bilder oder Produktbeschreibungen. Klassische und moderne Methoden der Beeinflussung Im Rahmen der Studie wurden 160 Konsumentinnen und Konsumenten ins Sensory Lab des FHWN Campus Wieselburg geladen und in vier Gruppen aufgeteilt. Die Laborumgebung ermöglicht es, Lebensmittel weitgehend ohne äußere Beeinflussung unter die Lupe zu nehmen. Die Teilnehmenden sollten dort regionale Bio-Maisstangerl mit Apfelgeschmack kosten und beurteilen. Die vier Gruppen bestanden aus einer Kontrollgruppe und drei Experimentalgruppen, die „geprimed“ wurden. Während die Kontrollgruppe die Maisstangerl ohne jegliche Vorinformation kosten und bewerten durfte, wurde eine der Experimentalgruppen mit der verbalen Produktbeschreibung „besonders knusprige Textur und fruchtiger Apfelgeschmack“ klassisch beeinflusst. Bei Gruppe drei kam ein VR-Headset zum Einsatz, das die Probandinnen und Probanden mit modernen Mitteln beeinflussen sollte. Der vierten Gruppe wurde das Bild, welches der Gruppe mit dem VR-Headset gezeigt wurde, extrem detailreich beschrieben. Vorausgegangene Studien besagen nämlich, dass die Lebendigkeit sensorischer Informationen für die Beeinflussung von Einstellungsentscheidungen von entscheidender Bedeutung sei. Je nach Lebendigkeit der in einer Nachricht enthaltenen Informationen wird das Ausmaß, in dem sich Menschen kognitiv mit der aufgenommenen Information auseinandersetzen, beeinflusst. Die Macht der Phantasie Nach dem Priming wurden die Teilnehmenden angewiesen, die Proben systematisch nach ihren sensorischen Erwartungen, der erwarteten Beliebtheit, der erwarteten gesundheitlichen Auswirkungen sowie der Kaufabsicht vor dem Konsum zu bewerten. Im Anschluss folgten eine die Verkostung und eine weitere Bewertung ihrer Wahrnehmung, der empfundenen Beliebtheit sowie der Kaufabsicht nach dem Konsum. Die abgegebenen Bewertungen wurden schließlich statistisch ausgewertet und analysiert. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass „Storytelling“, also die Förderung von eigenen Bildern im Kopf und der Phantasie, zu einer besseren Beurteilung von nachhaltigen Produkten führt als die Bereitstellung konkreter Bilder über die VR-Technologie. Eine rein verbale Produktbeschreibung hingegen ermöglicht keine nennenswert bessere Produktbewertung durch die Konsumentinnen und Konsumenten als eine Verkostung der Maisstangerl ohne jegliches Priming. Die Berücksichtigung dieser Erkenntnis ermöglicht für Produzentinnen und Produzenten bei der Vermarktung ihrer nachhaltigen Produkte die Anwendung einer gezielteren Ansprache der Konsumentinnen und Konsumenten. Die bisherigen Gesamtergebnisse der Studie zur „climate-friendly food-consumption“ wurde von 13. bis 16.09.2022 von Robert Fina und Kathrin Heim bei der Eurosense Conference 2022 in Turku/Finnland als Posterpräsentation mit der wissenschaftlichen Community geteilt und kürzlich auch im Springer Gabler Verlag publiziert. (https://doi.org/10.1007/978-3-658-36861-6_13)