200 Teilnehmer*innen bei der ersten Green Marketing Conference Wieselburg, 2. Februar 2021 – Im Studiengang Green Marketing beschäftigen sich Studierende und Lehrende des Campus Wieselburg mit der Frage, wie das Marketing der Zukunft aussehen muss. Denn wie Menschen Produkte verkaufen und konsumieren, hat enorme Auswirkungen auf die Umwelt. Das verstehen auch immer mehr Unternehmer*innen, die ihre Geschäftsmodelle völlig neu gestalten und nachhaltige Produkte und Dienstleistungen anbieten und bewerben. Sechs Innovator*innen im nachhaltigen Marketing präsentierten ihre aktuellsten Projekte nun bei der ersten Green Marketing Conference des Campus Wieselburg. Veranstalter Reinhard Herok, selbst Forscher an der Fachhochschule, freute sich bei der bisher größten Konferenz zu grünem Marketing in Österreich über rund 200 Teilnehmer*innen. Angeregte Diskussionen Konferenz-Teilnehmer Michael Ladstätter kritisierte gleich zu Beginn, dass ihm in der Nachhaltigkeitsdiskussion das Verbindende fehle. Man dürfe sich nicht vom Gedanken „Wir sind die Guten – ihr die Bösen“ leiten lassen. Greta Thunberg bringe das beim Thema Klimawandel gut auf den Punkt. Der erste Vortragende des Tages, Carsten Buck, Geschäftsführer & Designer bei der Mutter Design & Vermarktung GmbH, definierte daraufhin den Begriff Nachhaltigkeit und fasste ihn weiter: „Nachhaltigkeit ist nicht mehr nur auf die Natur bezogen, sondern auch auf das Zwischenmenschliche, auch das Thema Gendern ist eines der Nachhaltigkeit.“ Buck ist Markengestalter und Buchautor. In seinem Werk „Zombie Design“ spricht er sich für einen radikalen Konsumverzicht aus und entwirft eine designgetriebene Wirtschaftsordnung. Mit seiner Agentur vermarktet er nachhaltige Produkte wie Suur-Sauerkraut, Yogi-Tee oder Winter-Milch. Kund*innenfokussierung In seinem Vortrag zeigte sich Buck überzeugt: „Grüne Marken werden in Zukunft erfolgreich sein, wenn sie unseren Alltag bereichern. Und das tun sie nur, wenn sie mehr sind, als reine Dekoration. Sie müssen eine Bestimmung haben. Sie sollten sich an den Menschen orientieren. Daran, was Menschen wollen.“ Denn am Ende gehe es auch im Green Marketing darum, Waren oder Dienstleistungen zu verkaufen; nur eben nachhaltig. Den Studierenden im Publikum erklärte er, dass Konsum auch eine Form der Kommunikation sei. Dass wir mit der Art, wie wir uns kleiden, unterhalten oder ernähren etwas aussagen. Das Thema Nachhaltigkeit sei aber dennoch kein reines Lifestyle-Thema mehr. Mit Hamburger Charme brachte es der Designer auf den Punkt: „Ein kaputter Planet ist auch für die Wirtschaft doof.“ Green-Washing ist nicht nachhaltig Theresa Imre, Gründerin & Geschäftsführerin der markta GmbH, vertreibt mit ihrem digitalen Bauernmarkt Lebensmittel regional und nachhaltig. Sie kritisierte, dass „in Österreich jeden Tag sieben Bauernhöfe zusperren, weil es sich finanziell einfach nicht mehr ausgeht“. Dieses System werde in Zukunft nicht mehr funktionieren. „Saisonale Lebensmittel wie Äpfel werden teilweise aus Südamerika importiert, weil sie billiger sind. Aber Green-Washing funktioniert nur für kurze Zeit. Auf Dauer werden sich nur wirklich nachhaltige und somit glaubwürdige Produkte durchsetzen“, zeigte sie sich kämpferisch. Imre selbst setzt bei ihrem Lebensmittelversand auf nachhaltige Verpackungen, die wiederverwendbar und mit Schafwolle gedämmt sind. So können leicht zerbrechliche Produkte wie Eier oder Lebensmittel mit Kühlbedarf wie etwas Fleisch mit der Post verschickt werden. „In Österreich gibt es eine Überproduktion an Schafwolle. Deshalb haben wir uns für dieses Material entschieden. Und die Kühlakkus, die für eine Temperatur von zwei Grad in den Paketen sorgen, werden bei der nächsten Lieferung vom Lieferanten wieder mitgenommen“, erklärte sie. Leistbar für alle Eine Frage, die in der Nachhaltigkeitsdiskussion immer wieder gestellt wird, fiel auch bei der Green Marketing Conference. Nämlich wie es in Zukunft möglich sein soll, dass sich jeder und jede gute, nachhaltige Produkte leisten kann. „Man könnte bei fast allen Grundprodukten Ab Hof-Preise anbieten, wenn wir es schaffen, das Systeme effizient zu gestalten“, meinte Imre, „Es werden sehr viele saisonale Produkte weggeschmissen. Das muss man vermeiden.“ Grundprodukte sind für sie Gemüse und Obst. Fleisch jedoch solle ein besonderes Produkt werden, das man maximal einmal pro Woche konsumiert. „Von Billig-Fleisch halte ich gar nichts“, hielt sie fest. Grün denken Karin Seywald-Czihak, Geschäftsführerin der ÖBB Werbung GmbH, warf in ihrem Vortrag einen Blick auf die Jugend. Diese lasse sich Green-Washing nicht mehr gefallen: „Jugendliche rütteln uns auf und sind oft kompromisslos. Daher müssen wir Marketing neu denken. Wir müssen es grün denken.“ Seywald-Czihak ist seit 25 Jahren in der Marketingbranche tätig und wurde bei den EFFIE Awards des IAA Austrian Chapter im Jahr 2020 zur Marketerin des Jahres gewählt. Ihre Erfahrung habe gezeigt: „Konsument*innen sind in der breiten Masse nicht bereit, für grüne Produkte mehr Geld auszugeben. Der Preis ist immer ein großes Auswahlkriterium.“ Sie glaube aber, dass sich das in Zukunft ändern könne, wenn der gebotene Service gut und die Convenience hoch sei. Also dem Kunden oder der Kundin ein Vorteil erwächst. Positiv kommunizieren Andreas Tschas, Mitbegründer & Geschäftsführer der Glacier Carbon Reduction GmbH, warnte in seinem Vortrag davor, Verbote auszusprechen. „Immer wenn es heißt, man darf nicht, oder man muss, dann ist das eher abschreckend“, sagte er, „Corona hat uns gezeigt, dass sich Menschen mit Verpflichtungen schwer tun.“ Deshalb sieht er es als seine Aufgabe, das Thema Nachhaltigkeit stets positiv zu besetzen. Tschas ist der Erfinder des Pioneers-Festivals und leitete die Digitalisierungsagentur des Wirtschaftsministeriums. Mit Glacier will er Unternehmen dabei unterstützen, ihren CO2-Abdruck zu verringern. Botschafter der Nachhaltigkeit Dafür setzt er in jedem teilnehmenden Unternehmen sogenannte Climate-Ranger ein. Das sind Mitarbeiter*innen der jeweiligen Firma, die als Nachhaltigkeitsbotschafter*innen agieren und zum Beispiel dafür sorgen, dass die Temperatur im Büro um einen Grad gesenkt wird oder weniger Dienstreisen mit Auto oder Flugzeug angetreten werden. Das Ziel der Climate-Ranger ist, eine Verhaltensänderung bei den Mitarbeiter*innen zu erreichen. „Viele Unternehmen wollen etwas tun, wissen aber nicht wie“, benennt Tschas das Problem, „sie merken, dass der Druck seitens der Kund*innen, der Medien oder der Politik steigt. Und natürlich auch der von den Mitarbeiter*innen. Wir haben sogar einen CEO, der nicht glaubt, dass der Klimawandel von Menschen gemacht wurde. Trotzdem ist er eines unserer Mitglieder, weil der Druck durch seine Angestellten so groß war.“ Bleibt-Dran-Verschluss Die Konzern-Perspektive auf das Thema Nachhaltigkeit lieferte Yvonne Haider-Lenz, Leiterin Marketing & PR der Vöslauer Mineralwasser AG. Vöslauer produziert seit dem Jahr 2020 seine PET-Flaschen aus recycelten Altflaschen und erhielt dafür den Red Dot-Award. Haider-Lenz ist seit 2015 für den Außenauftritt des Konzerns verantwortlich. Ab März 2021 wird die Firma ihre Flaschen mit dem ersten Bleibt-dran-Verschluss verkaufen. Der Verschluss hängt auch im geöffneten Zustand an der Flasche. So kann er mitrecycled werden, wenn die Flasche leer ist. „Vöslauer bringt kein Produkt mehr auf den Markt, das nicht nachhaltiger ist, als das vorangegangene“, erklärte sie. Nicht ohne Grund: „Es ist ein Selbstschutz des Unternehmens, dass die Natur und so auch unsere Mineralwasserquellen geschützt werden. Denn unser Unternehmen lebt von diesen Quellen.“ Mehr als Umwelt Als letzter Speaker trat Lukas Merl, Leiter Brand Management und B2C-Marketing beim Wiener Tourismusverband, auf. Merl war Art Director der Serviceplan-Gruppe und setzt nun bei der Werbung für den Tourismus in Wien auf Offenheit, Toleranz und Diversität. Er berichtete von der Schwierigkeit, ein komplexes Produkt wie eine Großstadt zu vermarkten und dass eine große Gruppe der Wien-Tourist*innen der LGBT-Community angehören. Diese Gruppe wolle von der Werbung natürlich ebenfalls angesprochen werden. Er fasste damit den Nachhaltigkeitsbegriff noch einmal weiter. Für ihn bedeute nachhaltiges Marketing nicht nur Umweltschutz und LGBT-Rechte, sondern auch Lokale, die Geflüchteten Arbeitsplätze bieten oder Cafes, die Senior*innen beschäftigen. Aber auch der bewusste Konsum von Kunst in den Museen oder die Rücksichtnahme auf die Bewohner*innen der Stadt zähle für ihn zur Nachhaltigkeit. Anregungen für Studierende Das Schlusswort hatte Moderator und Organisator Reinhard Herok, der sich herzlich bei allen Speaker*innen für die spannenden Einblicke in ihre Unternehmen und Projekte bedankte. Er wandte sich an die Studierenden im Publikum, als er sagte: „Hoffentlich hat sich die eine oder andere Anregung für spannende Projekte gefunden.“ Und das wäre kein Wunder, denn die Studierenden des Masterstudiums Green Marketing am Campus Wieselburg der Fachhochschule Wiener Neustadt arbeiten oft in Praxisprojekten mit Betrieben zusammen und können so regelmäßig Erfahrung mit Kund*innen aus der Wirtschaft sammeln.