FHWN-Experte zur Rekord-Inflation: „Psychologische Komponente nicht unterschätzen“ Wiener Neustadt, 21. Juni 2022 – Ob es der Blick auf die Zapfsäule, die Gesamtsumme an der Supermarktkassa oder die monatliche Stromabrechnung ist – die deutlich gestiegenen Preise beeinflussen unser aller Leben. Während die Inflation im Mai die 8%-Marke erreicht hat, präsentierte die Regierung kürzlich das nächste umfassende Paket, um mit verschiedenen Maßnahmen die Menschen zu entlasten. „Kurzfristig können Realeinkommensverluste sicher geschmälert, im optimalen Fall sogar ausgeglichen werden. Mittelfristig birgt dies jedoch die Gefahr, dass sich, durch die Subvention von hohen Preisen, die Inflationsdauer sogar verlängert bzw. die Steigerung des Preisniveaus sogar weiter befeuert werden könnte. Da die Hauptinflationstreiber jedoch von einer Verknappung des Angebots ausgehen, sehe ich diese Gefahr als nicht so stark gegeben“, erklärt Stefan Grohs-Müller, der sich an der FHWN seit Jahren mit dem Thema Finanzen beschäftigt. Verknappung und Übernachfrage: Ein Teufelskreis Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass wir mit einer Teuerungswelle konfrontiert sind, wie es zuletzt in den 1970er-Jahren der Fall war? Für Grohs-Müller ist neben den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der immer noch anhaltenden Pandemie unter anderem auch das niedrige Zinsniveau mitverantwortlich. „Hier ist die psychologische Komponente nicht zu unterschätzen. Wenn das eigene Giro- oder Sparkonto keine Zinsen mehr abwirft und die Inflationsrate von Monat zu Monat steigt, ist die Angst vor einem Verlust des Realvermögens hoch. Viele treten die Flucht nach vorne an und investieren in ein Eigenheim, die daraus entstehende Übernachfrage führt dann allerdings zu einer weiteren Erhöhung der Preise“, so Grohs-Müller. Davon betroffen ist praktisch jeder – doch wie geht man am besten mit der neuen Situation rund um das Geld um? Was bedeutet diese Konstellation für Sparer oder Menschen, die eine Immobilie erwerben wollen? „Eine langfristige und möglichst breitgestreute Veranlagung in Aktien, z.B. über Investmentfonds, kann hier einen finanziellen Ausgleich schaffen. Eine erhöhte Renditeerwartung geht aber auch immer mit einem erhöhten Risiko einher. Viele ÖsterreicherInnen sehen eine Investition in „Betongold“ als Ausweg und erwerben Immobilien oder bauen ein Eigenheim. Da in diesem Bereich die Preise massiv gestiegen sind, muss hier jedoch jeder für sich selber entscheiden, ob eine solche Investition zur finanziellen Absicherung sinnvoll ist. Sollte das Zinsniveau wieder ansteigen, kann eine Verteuerung der Kredite zu einer abnehmenden Nachfrage nach Immobilien führen“, warnt der Experte. Grüne Investments als Chance Wie lange sich die Preisspirale noch weiterdrehen wird, ist laut dem Experten schwer bis gar nicht vorherzusehen – auch, weil die maßgeblichen Einflussfaktoren wie der Konflikt in der Ukraine oder eine mögliche neue Corona-Welle im Herbst unmöglich abzuschätzen sind. An eine schnelle Entspannung glaubt Grohs-Müller allerdings nicht. Auch eine dramatische Zinswende hält er für unwahrscheinlich. „Ein Revival alter Sparformen halte ich für unwahrscheinlich. Auffällig ist der verstärkte Trend zur Nachhaltigkeit. Durch Investition in „grüne“ Unternehmen kann mit dem Ersparten beispielsweise ein Beitrag zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung geleistet werden. Die Rolle des oder der Einzelnen wechselt jedoch von jener des Sparers zu jener des Investors.“